Auf die Frage „Wie geht’s dir denn?“ antworten die meisten von uns wohl mit: „Gut! Danke.“ Wir Tiroler sprechen nur selten darüber, wie es uns wirklich geht. Dabei wird das Hinschauen auf die eigene psychische Gesundheit immer wichtiger.
Ein paar schlechte Tage kennt jeder und die sind auch völlig normal. Wenn diese Phasen aber länger als zwei, drei Wochen andauern, dann ist das ein erstes Signal dafür, dass vielleicht etwas nicht ganz in Ordnung ist, sagt Psychotherapeutin Ines Gstrein. Weitere Hinweise: Wir sind ständig gereizt, wir können uns immer schwerer konzentrieren und wir kommen kaum mehr zu Ruhe.
Ein banales Beispiel aus dem Alltag ist es etwa, wenn wir ständig zurück zur Wohnungstür laufen müssen, um zu kontrollieren, ob wir auch abgesperrt haben. Das ist vermutlich jedem schon einmal oder öfter passiert. Meist steckt da auch wenig dahinter. Es könnte aber ein erster, subtiler Hinweis darauf sein, dass „etwas nicht ganz passt“, so Gstrein. Wenn wir dazu auch merken, dass sich unser Wesen verändert, dann wäre es an der Zeit, sich professionelle Hilfe zu holen.
Wer selber die Vermutung hat, dass vielleicht irgendwas nicht ganz passt, der sollte besser früher als später mit einem Profi darüber sprechen. „Wir wissen, dass das Problem mit der Zeit nicht besser wird, sondern sich eher chronifiziert und intensiver wird“, sagt die Psychotherapeutin. Besser wäre es schon frühzeitig mit einem Therapeuten über die eigene Befindlichkeit zu sprechen. Vielleicht nur für zwei oder drei Sitzungen. Oft reicht das, um Wege zu finden, die einem bereits helfen. „Es muss nicht jeder Gang zum Psychotherapeuten gleich eine zweijährige Psychotherpaie werden“, sagt Gstrein.
Corona, Krise, Krieg und Co. Das alles hinterlässt Spuren. „Die Psychische Gesundheit rückt dadurch zwar weiter ins Zentrum. Dennoch ist die Selbstverständlichkeit, über Psychisches zu sprechen noch nicht gegeben. In Tirol schon gar nicht!“, sagt Gstrein.
Noch immer würden Psychische Probleme mit „Schwäche“ assoziiert. Das ist aber falsch sagt die Expertin. Wir leben in einer Gesellschaft die von Leistung geprägt ist. Das Motto lautet: Jeder ist seines Glückes Schmid und wir können alles erreichen wenn wir nur wollen. Die Expertin stellt klar: „Psychische Probleme werden also oft mit persönlicher Schwäche in Verbindung gebracht, aber das ist es einfach nicht.“
Der Appell ist eindeutig: Über seine Probleme und Gefühle zu reden ist das Wichtigste! Auf die Frage „Wie geht es dir?“ dürfen wir auch einmal mit „Nicht so gut“ antworten. Darüber reden und sich im Ernstfall Hilfe holen ist keine Schande.
Die psychische Gesundheit sollte schon von klein auf kontrolliert werden, fordert Gstrein. „Bei allen Untersuchungen die ohnehin fixiert sind, sollte auch der psychische Aspekt mit eingebaut werden“, sagt Gstrein. Auch in der Schule sollte die psychische Gesundheit ein Thema sein. Es braucht vor Ort an den Schulen eine niederschwellige Möglichkeit, dass Schüler Hilfe bekommen, wenn sie diese brauchen. Und nicht, dass sie mehrere Wochen warten müssen, um irgendwo Hilfe zu bekommen, so Gstrein.
Zum Nachhören gibt es hier das komplette Interview von Life Radio Reporterin Leonie Werus mit Psychologin Ines Gstrein:
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